EIN HAUCH VON ABENTEUER UND EXKLUSIVITÄT

 

Nach erfolgreichem Auftakt im Südwesten Lettlands geht es nordwärts bis ans Kap Kolka, jener inspirativen Landzunge, die als Nationalpark geschützt weit ins die Ostsee ragt und diese von der Rigaer Bucht trennt … eine Reise ins Land der „Liven“ – einer Volksgruppe, die sich der finnisch-ugrischen Bevölkerungsgruppe zugehörig fühlt und dem Livland seinen Namen gab.

 

Mit leichter Wehmut verlassen wir die bereits lieb gewonnenen Dünen im Süden Lettlands und fahren nordwärts über Liepaja und Ventspils entlang der Westküste ans Kap Kolka. Da die Wetterprognose ab Mittag auf „Regen“ steht, sind wir früh unterwegs und kommen inklusive Tankstopp in Ventspils auch in Anbetracht der ausgezeichneten Straßenverhältnisse flott voran. Unser Spruch dieser Tage lautet „Da baut die Strabag“, denn diese Erfahrung hatten wir schon 2015 und 2016 gesammelt – der Unterschied zu damals: heute sind die meisten Straßen fertig und überaus großzügig gestaltet.

 

Das einzige fehlende Reststück sind rund 20 km „Rumpelpiste“ ab Ventspils, aber ab Einfahrt in den Nationalpark am Kap ist der Highway wieder perfekt und in rund 3,5 stündiger Fahrt stellen wir im urigen Camp Usi („Uschi“) nahe dem Kap ab. In diesem sehr einfachen, aber sauberen Camp kommen wir nach langer Zeit wieder in den Genuss von „Naturaldusche“ (zumeist kalt) und „Plumpsklo“ … und das um € 16,- inkl.

Lettland ist ein Campingland

Apropos Camping. Schon seit 2010 sind wir von der Qualität der baltischen Campingplätze insgesamt sehr angetan und Lettland präsentiert sich mehr denn je als echtes „Camperland“. Alle Plätze weisen unter gegebenen Umständen höchste Sauberkeit und Hygiene auf … und das nicht nur aus „Coronagründen“!

Wir haben nun im vergangenen Jahrzehnt bei 5 Aufenthalten mehr als 25 Campingplätze kennengelernt und wurde auch in entlegenster Lage von der Ausstattung und Kreativität der Betreiber überrascht. So stören auch hier direkt am Kap die Einfachheit der Sanitäranlagen teilweise unter freiem Himmel nicht … im Gegenteil – man fühlt das Bestreben der Bevölkerung nach natürlichem, sanften Tourismus mit Integration ins reguläre Leben der Region.

Auch die Preise sind äußerst adäquat und liegen heute zumeist zwischen 15 und 25 €uro – all inklusive natürlich für Wohnwagen/Wohnmobil, 2 Personen, Strom etc. In den Anfängen 2010 und 2011 hatten wir noch Plätze zwischen 7 und 12 €uro entdeckt und in all dieser Zeit sind Angebot und Ausstattung stetig am Wachsen. Zu finden sind die Plätze zum einen per Katalog und App des Campingverbandes der einzelnen Länder, per Apps vieler privater Anbieter und am einfachsten über „Google Maps“, was auch für uns zum sicheren Wegbegleiter wurde.

 

Ruhephase, Coronainfo und Erkundung von Kap Kolka

Während wir die „Wartezeit“ auf den prognostizierten Regen mit Campaufbau, Einkauf im örtlichen Geschäft und einer kleinen Wanderung an der Küste verbringen, haben wir auch Kontakt in die Heimat, denn unser Sohn Alexander teilt uns mit, dass Finnland auf Grund der weiter ansteigenden Infektionszahlen in Österreich eine 14-tägige Quarantäne für uns verhängt hat … der Wert für diese Maßnahme ist die Quote der Infizierten pro 100.000 Einwohner und da schnellt Österreich gerade über die Grenze von 15. Okay – nach Finnland wollen wir eigentlich sowieso nicht, aber es werden sich auch die baltischen Länder sehr bald in diese Richtung bewegen und „dicht machen“.

Es soll uns aber erst interessieren, wenn es soweit ist … für diesen Zweck sind wir ja auch per App auf der Seite des österreichischen Außenministeriums registriert, um rechtzeitig Informationen zu bekommen. Der Coronagefahr wird hier äußerst adäquat und angepasst begegnet, die baltischen Staaten zählen zu den verschonten Bereichen unseres Kontinents und wir bewegen uns hier abseits von Maskenpflicht und Abstandssorgen wahrscheinlich in Europas sicherster Zone … im Gegensatz zu Italien, Kroatien und Griechenland.

Bemerkenswert bzw. der Arroganz, die in diesem Zusammenhang in Österreich herrscht, geschuldet sind auch (fast höhnische) Mitteilungen von Freunden per Whatsapp, die ständig davon faseln, dass uns bei Rückkehr in die Heimat auch noch Quarantäne erwarten würde … ja, fehlender Geografie-Unterricht macht es bedauerlicherweise möglich, dass man das Baltikum mit „Westbalkan“ verwechselt – denn es ist ja umgekehrt … hoffentlich müssen wir dank unserer unverbesserlichen Landsleute Lettland oder Litauen nicht verlassen!?!

Aber jetzt sind wir schon mal hier und genießen die unglaubliche Küste im Nationalpark Slitere, die sich als urwaldähnlicher Strandabschnitt entpuppt. Zu Fuß erkunden wir das Kap, das die Ostsee von der Rigaer Bucht trennt, blicken nach Norden auf den Leuchtturm von Saremaa, wo wir 2010 eine Nacht in der Wildnis verbracht hatten …

Unsere Wanderung führt uns auch entlang der Ostseeküste vorbei an künstlerischen Werken und urigen Strandhütten in Fassform bis zu einem Aussichtturm, der uns Ausblick bietet auf Küste und Meer aber auch auf die dichten Kiefer- und Birkenwälder des Hinterlandes. Am Rückweg gönnen wir uns auch Stärkung entlang der Straße, wobei sich neben Getränken und Eis vor allem die Fischprodukte der Einheimischen als wahre Prunkstücke entpuppen … frisch gefangen und geräuchert – einfach köstlich!

Die kurze Pause dank einer Regenfront tut uns nach den ersten intensiven Tagen ebenfalls sehr gut, am Strand sind wir fast alleine, genießen ein Bad in der Ostsee, entwickeln Ideen für eine „Multimediashow“ zum Thema „10 Jahre Baltikum“ und im Camp steht uns für Grill- und Lagerfeuer alles zur Verfügung. Und in Gesprächen mit der Campchefin erfahren wir einiges von den „Liven“, die das Land hier bewohnen und von denen es nicht mehr viele gibt.

Weiterfahrt nach Melnsils und Erkundungstouren in Livland

Am Sonntag geht es weiter südwärts an der Ostküste nach Melnsils, wo wir auf ein außergewöhnliches Camp treffen, das uns neben verbesserten Sanitärmöglichkeiten vor allem ein wirklich großartiges Gasthaus bietet. Auch hier stehen wir direkt in den Dünen am Meer und der Strand entpuppt sich in Anbetracht seiner Urigkeit als „Karibik der Ostsee“ … wir werfen uns in die Fluten und genießen das unglaubliche Ambiente.

Die Erzählungen und Infos über die „Liven“ erregen natürlich unsere Neugier und wir beschließen die Region zu erkunden. Den Beginn machen wir in Roja, der größten Siedlung der Region, wo wir einkaufen und uns auf die Spuren einiger Besonderheiten machen. Spaß haben wir dabei am „Magnetstein“, am Markt bekommen wir Schwammerl und Räucherfisch, ehe es auf Schotterstraßen ins Hinterland geht.

In Dundaga erkunden wir eine tolle mittelalterliche Schlossanlage, stärken uns originell im Ortsgasthaus um € 5,- und bewundern die Leichtigkeit des Lebens hier. Weniger erfolgreich sind wir bei unserer Suche nach dem „Ziegenstein“ auf der weiteren Route an die Westküste … dieser 2 m hohe Stein mit Zeichen der Urbevölkerung war in einem Buch beschrieben, doch in 2 Versuchen schaffen wir es trotz Google Maps nicht, diesen zu finden – wahrscheinlich privat!

Der Hauptort der Liven ist das Fischerdorf Mazirbe an der Westküste, doch sie sind sehr zurückhaltend mit touristischen Informationen und Angeboten … der Tourismus ist hier sehr sanft und unaufdringlich. Einige Quartiere in Häusern, Ferienhütten sowie einfache, aber sehr nette Campingplätze sind vorhanden, Hauptattraktion ist der Strand, den wir 2011 in einem der Fischerdörfer, Vaide (nahe dem Kap), bereits ausführlich kennengelernt und erkundet hatten. In allen Streusiedlungen bewegt man sich zum Teil auf abenteuerlichen Schotter- und Sandpisten, mit Rad, Quad oder Motorrad ist man hier eindeutig besser unterwegs …

Während wir im „National House“ von Mazirbe keine Infos bekommen, werden wir in Kolka fündig, wo uns eine wirklich nette Dame im völlig neu errichteten Infozentrum alles zukommen lässt, was es an Informationen zu den Liven gibt … leider keine Fahne, dafür aber tolle Handwerksstücke (Mützen, Fäustlinge, Strickwaren) – Gerlinde ist in ihrem Element!

Corona-Erfahrungen Teil 2

Nachdem Finnland vorgelegt hat, wird es ab 25.7. für Estland und Lettland sowie ab 27.7. für Litauen amtlich, dass sich Österreicher bei Einreise 14 Tage in Quarantäne begeben oder einen negativen Coronatest vorlegen müssen, um ins Land zu gelangen. Der Grund: In Österreich ist die Infektionsrate auf über 18 gestiegen – die baltischen Staaten liegen bei 1 bis 3 … !?!

Die App des Außenministeriums „schlug“ zwar nicht an, trotzdem werde ich aktiv und setze mich mit der Botschaft in Riga in Verbindung, wo man mir sowohl telefonisch (auf Englisch) als auch per Email zu verstehen gibt, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Zum einen seien wir ja schon seit einiger Zeit im Land, zum andern sei der Rückweg nach Österreich weiterhin völlig unbehindert passierbar, teilt Honorarkonsul Bernhard Löw beruhigend auf Anfrage mit.

Das Antwortmail der Österreichischen Botschafterin für Lettland, Stella Avallone, bestätigt, dass seit kurzem in allen 3 baltischen Staaten diese Quarantänebestimmung in Kraft ist und die Rückreise durch andere Staaten nach Österreich offen sei. Man müsse lediglich glaubhaft machen, dass man auf schnellsten Weg das jeweilige Land durchqueren wolle, um nach Österreich zu gelangen.

Sie beruhigte uns aber auch: „Nachdem Sie sowieso schon mehr als 1 Woche in Lettland sind, haben sie, wenn sie noch eine Woche in Lettland bleiben, sowieso die 14-Tage-Frist für Selbstisolation/Quarantäne überschritten.“

Und was natürlich Bemerkenswertes dazukommt: Wer würde diese Bestimmungen an den Landgrenzen innerhalb der baltischen Staaten und nach Polen kontrollieren, denn – Hand aufs Herz – wir hatten weit und breit keine Grenzposten finden können. In Zeiten von Schengen ist diese Beschränkung gefallen und wir haben seit 2010 bei allen Reisen rund um die Ostsee noch kein einziges Mal den Reisepass benötigt!

Verlängerung am Meer und Filmdrehaufnahmen

Die beruhigenden Nachrichten und der damit verbundene Relaxzustand veranlassen uns zu einer kleinen Programmänderung und statt eines Abstechers in den äußersten Nordosten Lettlands mit Besuch der Seenplatte und Wanderungen an der lettisch-estnischen Grenze beschließen wir den Aufenthalt am Strand zu verlängern.

Mitgrund ist auch das fortschreitende Entstehen einer Projektidee für eine Baltikums-Präsentation und der Plan hier mit Filmdrehaufnahmen zu beginnen. Ausgerüstet mit Canonkamera, Handy und GoPro gehen wir an die Realisierung der Vorhaben und haben viel Spaß dabei. Auch wenn das Wetter diesmal keine hochsommerlichen Aktivitäten zulässt, so ist das eine oder andere Bad in der Ostsee bei Temperaturen zwischen 20 und 23°C recht angenehm, da das Wasser durchwegs die gleiche Temperatur besitzt.

Am Ende aller Ambitionen und Diskussionen um Wetter, Motivation und Planungen bleibt aber als offensichtlichste Erklärung: wir wollen einfach noch nicht weg vom Meer …! Wir haben es uns ja auch verdient.