REISEN IN ZEITEN VON „COVID-19“

 

Die Vorzeichen für die Sommertour 20 waren seltsamer und ungewisser als irgendwann zuvor … dabei hatten wir und ganz speziell ich nach „Corona-Rehaabbruch“ und „Risikogruppendiskussion“ einen Tapetenwechsel nötiger denn je! Skandinavien fiel aus Zeitgründen und in Hinsicht der Probleme um den Virus in Schweden aus, da blieb uns offen gesagt nur der Weg an die Ostsee – und zwar in Lettland!

DIE AUSGANGSSITUATION

Während ein Großteil der Urlaubssüchtigen trotz der angespannten Situation nur in den Süden „schielte“ und Warnungen und Sicherheitsmaßnahmen „großzügig“ negierten, sagte uns ein Blick auf Berichte aus den baltischen Staaten, dass die Zeichen für einen Besuch an der Ostsee ausgezeichnet schienen.

 

Gesagt. Getan. Auf nach Litauen und Lettland … natürlich auf bekannter Route über Slowakei und Polen – und mit dem Wohnwagen! Viel Vorbereitung war eigentlich nicht notwendig – Wohnwagenüberprüfung, Vignette für Slowakei per Internet und Registrierung auf der „App“ des Bundesministeriums für Äußere Angelegenheiten in Österreich … reine Vorsichtsausnahme.

Denn eigentlich lagen und liegen die „Gefahrenstelle“ in diesem „Coronasommer“ ganz wo anders: die Reisefreiheit ins Baltikum könnte eigentlich nur durch die Unbelehrbarkeit einiger unverbesserlicher Idioten in der Heimat und deren dümmliche Wurstigkeit noch in Gefahr sein. Die baltischen Staaten waren bislang großteils von der Pandemie verschont geblieben und haben in Bewahrung dieser positiven Situation auch innerhalb der EU-Zone strenge Einreiseregeln beibehalten … zwischen max. 15 bis 25 Infizierte pro 100.000 Einwohner in den letzten 14 Tagen. Österreich liegt derzeit bei einer Quote von 13,1 (13. Juli 2020). Die Zahl ist dabei durch die Problemfälle mit Westbalkan, Fleischereibetriebe und Freikirchen wieder dabei, beträchtlich anzusteigen … auch die Undiszipliniertheiten der Massen vor allem in den städtischen Bereichen wird mehr und mehr zur Gefahr!

 

Anreise auf gewohnter Route

So starten wir noch vor Herausgabe der neuen Zahlen an einem Sonntag – wir wollen der Lkw-Lawine v.a. durch Polen, insbesondere rund um Warschau, entgehen. Über Wiener Neustadt und den Neusiedlersee geht es auf kürzester Strecke nach Bratislava, wo wir völlig ungehindert die Grenze passieren. Auch die Weiterfahrt auf der Autobahn nach Zilina verläuft perfekt und dort nehmen wir überrascht zur Kenntnis, dass die Umfahrung dieses Nadelöhrs nun endlich fertiggestellt ist und wir uns die komplizierte Stadtdurchfahrt ersparen.

In der Folge geht es ein Stückchen auf der ebenfalls sanierten Landstraße Richtung Polen und in Cadca sehen wir die im Endstadium befindlichen Bauarbeiten des Anschlussstücks zur Autostraße zur Grenze … vielleicht 2021 oder 2022.

Auch an der slowakisch-polnischen Grenze bremst uns nichts und flotten Rades geht es durch Südpolen auf den „Highways mit Ampeln und Fußgängerübergängen“ nach Kattowice. Nach Czestochowa wird es auf der in Bau befindlichen Autobahn brenzlig, doch die Staus befinden sich auf der Gegenfahrbahn … Wochenendrückreiseverkehr! Wir kommen trotz einspurigem Gegenverkehrsbereich glimpflich davon und brausen dann mit Vollgas über die Autobahn nach Warschau, wo uns „Google Maps“ elegant ohne Stau über den Stadt-Highway leitet:

Die A8 weiter nach Bialystok kennen wir von 2015 – allerdings nur als Riesenbaustelle! Umso positiver überrascht sind wir vom perfekten Zustand, der uns mit einem Schnitt von über 100 km/h vorwärtsbringt.

 

Frust in Ostpolen und Nachtschicht an die Ostsee

Der Plan für die Fahrt ins Baltikum und an die Ostsee birgt das Wissen aus dem Internet in sich, dass es in Suwalki – nahe der litauischen Grenze – ein ACSI-Camp gibt, das bis 24,00 Uhr offen hat und das wir von unserer Tour 2017 kennen.

So folgen wir der Google-Route auch auf enger Landstraße und bei verschwindendem Tageslicht über Augustov, eine Tank- und Jausenpause auf der A8 entfernt uns vom Ankunftszeitpunkt 22,00 h für Suwalki um rund eine Viertelstunde … was sich schließlich als „fatal“ herausstellt! Denn in der Dunkelheit finden wir zwar das Camp in Suwalki, stehen aber vor verschlossenen Türen … von 22 bis 6 h gesperrt – Shit!

Natürlich ist der Frust nach 1550 gefahrenen Kilometern sehr groß, da hilft auch ein Bierchen zur Beruhigung nichts, zumal wir die „zuständige Frau“ für das Camp finden, sie jedoch keine Ambitionen für „Überstunden“ hat – Resumee: glaube keiner Eintragung im Internet … langer Rede kurzer Sinn: aus einer kurzen sinnlosen Pause im vorm Camp abgestellten Wohnwagen raffen wir uns bald auf, zumal auch Jugendliche die mitternächtliche Ruhe stören.

Um 0,00 Uhr starten wir mit dem Vorhaben, die Nacht zu nützen und gleich direkt an die Ostsee zu fahren! Für mich – auch in Anbetracht des Adrenalins in mir – kein großes Unterfangen, da ich große Distanzen schon jeher gewohnt war. Um 0,30 h sind wir in Litauen, was auch eine Zeitumstellung bringt auf 1,30 h.

Nach einer Kaffeepause glühen wir in rund 3,5 Stunden auf leeren, nächtlichen Autobahnen mit 90 km/h Schnitt über Kaunas nach Klaipeda, wo wir im Morgengrauen ankommen und tanken. Nach einer weiteren Stunde sind wir in Lettland und erreichen über bekannt-miserabler Schotterpiste den Nationalpark Pape-Nida und das uns von 2015 bekannte Camp Pukurags in den idyllischen Dünen der Ostsee. Mit etwas Stolz kann ich im Reisetagebuch folgende Eintragung machen: 1550 km in rund 19,5 Stunden Fahrzeit mit 80 km/h Gesamtschnitt und 9,1 l  Dieselverbrauch … Erinnerung an gute, alte Zeiten – tut richtig gut.

Dass das Camp erst eine Stunde später öffnet, stört uns nicht. Wir drehen eine Erkundungsrunde, suchen einen Stellplatz und sind erstaunt von der Fülle der anwesenden Camper. Nach Ankunftsbierchen geht’s schon bald ins Camp, wo wir uns ganz vorne an der Düne platzieren … eines vorweg: nach vormittäglichem Schläfchen ist der Platz weitgehend geleert, die Wochenendbesucher sind fort und wir finden ein (fast) perfektes Plätzchen. „Fast“ nur deshalb, weil wir auch noch dem aufkommenden Wind Tribut zollen und unsere Position nochmals verbessern … da sind wir aber schon die einzigen Gäste am Platz!

Ankunft am Strand im Herzen Europas

Die Ostsee ist und bleibt das „Meer der Europäer“, denn es liegt nicht nur im „Herzen“ des Kontinents, sondern auch nahe dem geografischen Mittelpunkt (Nähe Vilnius) und nur von europäischen Ländern umgeben.

Tag 1 zeigt sich als „absolut verdientes Geschenk“ für die Nachschicht, denn Teil 2 der Regenerationsphase verbringen wir bereits am Strand mit verdientem Bad und gutem Schläfchen. Da wir Camp und Umgebung schon kennen, verläuft der Start gemütlich und als positive Neuerung nehmen wir das großzügige, neue Sanitärgebäude nahe unserem Stellplatz zur Kenntnis. Alles perfekt und sauber, Preis pro Nacht 17,- und in Zeiten von „Corona“ mit ausreichend Abstand zu nutzen …

 

Corona-Erfahrungen Teil 1

Welch verdrehte Wahrnehmung die Virusgefahr bei den Menschen durch die Panikmache von Presse und teilweise auch Obrigkeit erzeugt, erkennt man aus der Tatsache, dass nicht unser Reiseziel ein Problem darstellt, sondern eher unser Herkunft wie bereits zu Beginn berichtet.

In der Slowakei hielt sich unser „Kontakt“ in Grenzen, nur beim Tankstopp in der Nordslowakei erledigten wir die Zahlung mit Tragen einer Maske … kein Problem. Beim folgenden Tankstopp in Polen, war das Tragen einer Maske schon freiwillig und ca. 50 % taten dies – zudem hielt man Distanz. Ab Litauen sind die Masken verschwunden und auch bei nötigem Abstand nirgends erforderlich und gefordert. Wie überhaupt die baltischen Staaten mit Zahlen an Neuinfektionen pro Tag zwischen 0 und 10 aufwarten können!

In Einkaufsbereichen sind die Verkäuferinnen und Verkäufer mit Glaswänden geschützt, 2 m Abstand werden per Aufdruck auf Boden und Wandtafeln eingefordert und in Sachen Disziplin gelten die Balten als „nordisch“.

Am Strand, in den sanitären Einrichtungen und im Camp lässt der vorhandene Platz keine Zweifel an der Seriosität aufkommen – die Wahnsinns- und Sinnlosigkeitsaktionen, die uns von Stränden in südlichen und westlichen Ländern übermittelt werden, kosten hier nur ein sanftes Lächeln.

Relax, Wind, Wellen & Radtour

Tag 2 nützen wir nach Durchzug einer Regenfront bei aufklarendem Wetter zu einem Ausflug ins Dorf Rucava, das wir 2011 schon besucht hatten. Es gilt ein paar Einkäufe für den täglichen Bedarf zu tätigen, zuvor machen wir aber die notwendige Erfahrung, dass die 6 km Schotterpiste am besten im Stile der Einheimischen zu bewältigen ist: mit „Vollgas“ – man schwebt sozusagen über den Schlagrillen !?!

In Rucava finden wir alles Notwendige im Einkaufsladen, bei einem kleinen Rundgang entdecken wir am Hauptplatz die ansehnliche Kirche der Gemeinde und das außergewöhnliche Musikinstrumentenmuseum, dem wir bereits vor 9 Jahren einen Besuch abgestattet hatten. Nach einer Labung mit Bier, Kaffee und Kuchen und einigen Fotos und Videodrehs geht es zurück an den Strand, wo sich das Szenario grundlegend geändert hat: starker Wind und hohe Wellen erwarten uns in den Dünen, was aber die Einheimischen nicht von gewohntem Badespaß abhält … auch wir genießen das außergewöhnliche Ambiente und ertappen uns dabei, dass es auch total erfrischend ist, einmal einfach nur ins Meer zu schauen! Ostsee-Strand-Therapie wie wir sie erhofft haben und von früher kennen …

Neben Ausspannen und Wanderungen an Strand und Pape-See wagen wir auch eine Radtour im Nationalpark. Dass diese Radtour aber bereits nach 13 km endet, liegt an den unwegsamen Wegen, die oft in tiefem Sand verlaufen und eigentlich nur zum Wandern geeignet sind. Und auf den trockenen Schotterpisten ist man den Autorasern und großen Staubwolken ausgeliefert … trotzdem gibt’s schöne Ausblicke auf See und Park – und die Rückkehr in die Dünen.

Besuch in Liepaja

Dass wir aber auch Einblick in lettisches Stadtleben finden, liegt an einem Ausflug in die Hauptstadt der Region Liepaja. Die drittgrößte Stadt des Landes mit rund 75.000 Einwohnern zeigt sich offen und aufstrebend, hat aber auch noch mit den Spuren des Kommunismus zu kämpfen. Liepaja war zu Sowjetzeiten „Sperrzone“, das lag am Militärhafen und das sieht man der Stadt in vielen Bereichen heute noch an.

Dabei kann „Libau“, wie der deutsche Name lautet, auf eine lange und vielfältige Vergangenheit zurückblicken. Die günstige Lage am Naturhafen an der Liva-Mündung ließ den Ort bereits im 13. Jahrhundert entstehen und lockte vor allem wegen seines Bernsteinreichtums Seefahrer aus Schweden, Rom, Byzanz und letztendlich aus deutschen Ländern an. Bis zum 2. Weltkrieg war Liepaja stets ein bedeutendes Tor zum Westen und unterhielt Schiffsverbindungen nach Halifax und New York.

Wir flanieren durch die bereits renovierte Altstadt samt Marktbereich und Fußgängerzone und stärken uns in einem der zahlreichen Lokale in einem der idyllischen Innenhöfe, ehe es nach Auffrischung unserer Vorräte beim „Maxima“ wieder zurückgeht.

 

Abschied mit Sonnenuntergang

Von Vorteil für allabendlichen Hochgenuss ist auch die Lage an der Westküste des Landes, denn die sich rasch ändernden Wetterbedingungen machen zumeist den Blick auf unglaubliche Sonnenuntergänge möglich. Wer in Betrachtung der in der Ostsee versinkenden, glühenden Kugel nicht von wirklich emotionalen Gedanken und romantischen Anwandlungen erfasst wird, ist hier fehl am Platz.

Außergewöhnlich bleibt es trotzdem, sich zu dieser fortgeschrittenen Tageszeit und in Anbetracht von Wind und herrschenden Temperaturen um 15°C in die bis zu 2 m hohen Wellen zu stürzen … einzige Rechtfertigung: im Wasser ist es wärmer als an der Luft!

 

SOMMER 2020

 

WOHNWAGENTOUR

IM BALTIKUM

 

-> Zu Teil 2:
Natur pur und Strandleben
am Kap Kolka