Kambodscha – Tempelwunder und Elend im Reich der Khmer

Kambodscha – Tempelwunder und Elend im Reich der Khmer

Es ist Mitte Jänner, wir sind seit dreieinhalb Monaten unterwegs und starten zum abschließenden Teil unserer „Round-the-world“-Tour in die uns unbekannte Welt Südostasiens mit Besuch von Kambodscha und Vietnam. Als unsere 70-sitzige Propellermaschine am Flughafen von Siem Reap aufsetzt, ahnen wir bereits, dass der abenteuerlichste Teil unserer Reise begonnen hat … und der heißeste.

Bereits um 9 Uhr, als wir die – diesmal erträglichen – Visa- und Zollformalitäten erledigt und unser Gepäck ausgecheckt haben (Visum erhält man um 20,- USD direkt im Flughafen) sowie unser Guide, den wir von Bangkok aus gebucht haben, am Eingang mit Begrüßungsschild bereitsteht, hat es weit über 30°C.

Dollars sollte man übrigens zur Genüge mitführen, denn hier wird alles in US-Dollar berechnet, obwohl die kambodschanische Währung Riel auch angenommen und mit Fixpreis von 4000 pro Dollar umgerechnet wird. Da es keine Halb-Dollarnoten gibt, wird Wechselgeld immer in Riel herausgegeben.

 

Fast ein Millionär

Das alles wissen wir noch nicht, vor allem, dass es im ganzen Land bereits genügend Geldautomaten gibt, die durchwegs Dollars „ausspucken“ …. laut der bislang so hilfreichen Reiseführer von Stefan Loose (Ausgabe 2006) gab es zum Zeitpunkt der Drucklegung noch keinen einzigen Automaten landesweit.

So sind wir etwas voreilig, als wir am Flughafen einen Wechselschalter entdecken, der uns zu denkbar ungünstigen Konditionen Geld über unsere Mastercard auszahlt.

Gottseidank sind es nur 200,- Euro, die uns aber beinahe auf einen Schlag zu „Kambodscha-Millionären“ machen …. 973.800 Riel bar auf die Hand.

Was wissen wir von diesem Land, das uns unsere Nachbarin Erna Hollinger so herrlich geschildert hatte, als sie es Ende 2006 mit ihrer Enkelin 1 Monat lang per Rucksack bereiste?

 

Was wissen wir über Kambodscha?

Ja, eigentlich nur,

… dass es erst seit kurzem ohne Krieg existiert, an der untersten Stufe der Armut in Südostasien steht und ca. 2,5 Mal so groß wie Österreich mit knapp 15 Millionen Menschen ist …

…. dass sich das Königreich nach der totalen Zerstörung der Infrastruktur durch die Roten Khmer jetzt langsam erholt und es erste Anzeichen von funktionierendem Tourismus gibt …

…. dass in Kambodscha mit seinem tropischen Klima jetzt Winter herrscht, was soviel bedeutet wie Trockenzeit mit angenehmen Temperaturen von 30 bis 33°C (wir hatten aber in einer Hongkonger Zeitung gelesen, dass heuer besonders hohe Temperaturen im gesamten südostasiatischen Raum herrschen mit z.B. 34°C in Bangkok, 35°C in Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) und bedrohlichen 37°C in Phnom Penh, der kambodschanischen Hauptstadt) ….

…. dass es im Norden des Landes noch Fälle von Malaria gäbe und man auch sehr vorsichtig mit Leitungs- bzw. Flusswasser umgehen sollte ….

….. dass es hier die größte Tempelansammlung der gesamten Region gibt und man diese unbedingt gesehen haben muss!

Aber das war’s auch schon großteils.

 

Kriegsende

1999 ging eine der letzten blutigen Epochen in der Geschichte Südostasiens zu Ende und seither kämpft Kambodscha um seine Chance im internationalen Staatengebilde.

Mit unterschiedlichem Erfolg allerdings, denn schwache Staatsführung und Korruption halten einerseits viele Nationen und Investoren davon ab, Geld in das „Armenhaus“ Hinterindiens zu pumpen.

Auf der anderen Seite bietet vor allem der Nordwesten Kambodschas mit seinen unbeschreiblichen Tempelschätzen aus der „Angkor-Periode“ eine vor allem den Touristikern nicht lange verborgen gebliebene Fülle an Highlights und Business. 

 

Heiße Tage in Siem Reap & Angkor Wat

Um es gleich auf einen Nenner zu bringen – dieses Land ist zur Zeit noch nichts für „schwache Nerven“ und „schwache Verdauung“. Denn zum einen bietet sich uns auf allen Stationen ein anfangs erschreckender Mix aus touristischer Maske an der Hauptstraße und sehr viel Armut und Dreck abseits der ausgetretenen Pfade.

Basis ist in den Städten ein Gewühl aus Menschen, Motos, Menschen, Tuk Tuks, Menschen und … richtig Menschen! Unser Spruch der ersten Tage: „Wo wollen die alle hin?“

Dabei ist Benzin ungeheuerlich teuer – 1 l Super kostet 4500 Riel, also 1,25 Dollar …!?! Eigentlich unerschwinglich.

Besuch bei den Bauern

Andererseits sind 85 % der Kambodschaner Bauern oder Fischer, die es über den Status der Bambus-, Stroh- oder Bretterhütte meist umringt von Plastikmüllbergen noch nicht hinausgebracht haben.

Ein Besuch bei einer ca. 12 bis 15-köpfigen Bauernfamilie hilft uns nicht gerade, unser Unbehagen zu lindern … die Leute schlafen irgendwo, alles ohne Strom und Wasser und ohne hygienische Grundausrüstung und ihre „Produktion“ besteht aus Reis, Palmzucker und Gemüse bzw. den paar Riel, die sie sich durch Anbieten von „Tourismus-Ramsch“ wie Ansichtskarten, Tücher etc. verdienen.

Wir kaufen natürlich jede Menge ab … meistens „One for one dollar“ …. und tief gekühltes Wasser in Flaschen, das man unbedingt nur mit Originalverschluss kaufen sollte, denn es soll schon vorgekommen sein, dass einfach Leitungswasser nachgefüllt wurde – dies endet unweigerlich auf einer der Toiletten des Hotels.

Mut beim Essen

Apropos Verdauung! Auch dafür sollte man gewappnet sein, denn es gibt so viele Tücken und Gefahren im Essen bzw. Trinken (Cocktails, Eiswürfel, Gläserreinigung etc.).

Ist schon die kambodschanische Küche grundsätzlich mit ihren außergewöhnlichen  Düften gewöhnungsbedürftig, so sollte man einige Grundregeln unbedingt einhalten: Vorsicht bei Gemüse, Salat, ungekochten Speisen etc. – man weiß nicht, mit welchem Wasser sie gewaschen wurden.

Auch sind viele Gewürze und Zutaten für europäische Mägen nicht gut verträglich. Alles mit Reis und Nudeln ist zu empfehlen, Fisch und Huhn sind ausgezeichnet, Reissuppe bzw. Fischsuppe meine persönlichen Favoriten.

Jetzt aber genug vom Essen.

Weltkulturerbe Angkor

Die Tempel von Angkor nehmen uns 3 Tage in Beschlag. Kaum ein Ort fasziniert so wie Angkor – vom 9. bis zum 15. Jahrhundert Zentrum des mächtigen Khmer-Reiches.

Die Tempelanlagen verteilen sich auf rund 200 Quadratkilometern. Die bekannteste ist Angkor Wat: Das größte sakrale Bauwerk der Welt.

Zur dreitägigen Tour, die uns in einen 5-Sterne-Palast mit Pool und vielen Annehmlichkeiten verschlägt, gehört vor allem die Besichtigungstour von Siem Reap und Umgebung mit den einzigartigen Tempelanlagen von Angkor Wat & Co. per Privattaxi und deutschsprachigem Guide (Name: Kim) in der Kleinstgruppe – was soviel bedeutet, dass wir wirklich zu zweit sind und 2 Begleiter haben!

Am meisten faszinieren uns natürlich das Weltwunder „Angkor Wat“, das gigantische Angkor Thom und der von Urwaldbaumriesen überwachsene Ta Phrom-Tempel. Die gigantischen Wurzeln haben eine Pracht konserviert, die auch bewusst so belassen wurde.

Sandstein ist hier das Baumaterial und alles steht auf Lavasteinen, die sich während des Tages noch zusätzlich aufheizen …. Da fließt viel Schweiß trotz Air Conditioned Car, trotz ständiger Suche nach Schatten.

Bootsfahrt am Tonle Sap

Schweiß anderer Art fließt dann allerdings auf unserem Trip per Expressboot von Siem Reap nach Phnom Penh auf dem Tonle Sap, dem größten Süßwassersee SO-Asiens plus Fluss, der in den Mekong mündet.

Wir brausen mit Fullspeed durch den wellengepeitschten See und sind froh einen zwar kleinen, aber luftigen Platz am Dach des schmalen Bootes ergattert zu haben.

Abenteuer pur, Verkeilen und Festhalten ist Pflicht, Erfrischungsgetränke serviert ein akrobatischer Kambodschaner im Plastikkübel …!

Dafür werden wir anschließend mit großartigen Einblicken in das Leben am Fluss belohnt, schwimmende Dörfer, Reisfelder und Tausende Fischerboote bestimmen das Landschaftsbild dieses einzigartigen Flusses, der eine Weltrarität darstellt.

Denn alljährlich zur Regenzeit ändert der Fluss seinen Lauf, wenn das Hochwasser des Mekong dann flussaufwärts in den Tonle Sap fließt, der wiederum seine Größe dann um das 7 bis 8-fache vergrößert und über 12.000 qkm bedeckt – beinahe die Fläche der Steiermark.

Schwimmende Dörfer

Schon bei der Anfahrt zum Bootssteg in einem Sammeltaxi (Kleinbus) zu zwölft bekommen wir einen Eindruck, wie erbärmlich das Leben in der Seeregion ist, obwohl er den Leuten eine ausgezeichnete Lebensgrundlage für Fischfang, Reisanbau bzw. Bewässerung liefert.

Die rumpelige Sandpiste durch die Pfahlghettos im See ist wirklich schlecht, kein Wunder, denn sie ist ja auch einige Monate im Jahr unbrauchbar und unnotwendig, wenn das Wasser ansteigt.

Was wirklich betroffen macht, ist der Dreck, in dem die Leute hier leben. Plastikmüll und unverrottbarer Abfall stapeln sich dicht zwischen Straße, Häuser und schlammigem Wasser, das ebenfalls eine Brutstätte für Krankheiten und Überträger darstellt.

Etwas besser sieht es am Wasser aus, denn die „Schwimmenden Dörfer“ vermitteln wenigstens den Eindruck von normalem, einfachem Leben. Ebenso die vielen Siedlungen entlang des Flusses, der als äußerst fischreich und durch seinen Schlamm fruchtbar für den Anbau von Reis gilt. Wir sind auf jeden Fall fasziniert vom dichten Verkehr und Leben am Fluss und die Fotoapparate haben Hochbetrieb.

Ankunft in Phnom Penh

Nach 6 Stunden Fahrt kommen wir in Phnom Penh an, wo uns ein Freund unseres Guides von Siem Reap erwartet und für uns schon ein Hotel nahe des Königspalastes besorgt hat.

Wir haben beschlossen, die Dienste von Nol Naro für 2 Tage in Anspruch zu nehmen, was sich als wahrer Glückstreffer entpuppt. Denn Nol, der 5 Jahre als buddhistischer Mönch gelebt hat, um zu studieren, hilft uns bei der Planung der weiteren Reise sehr weiter: Bustickets nach Sihanoukville und retour, dann Buchung eines Hotels am Strand (es ist Hochsaison, vieles ist ausgebucht!), sowie Organisation der Weiterflüge nach Saigon und zurück nach Bangkok.

Wir bekommen einen Vorzugspreis, denn „Vietnam Air“ bietet günstigste Kombitickets von Kambodscha ….!

Die Tour in Phnom Penh wird noch einmal ein „heißes“ Unterfangen, doch wir bekommen in kurzer Zeit dank Nol und seinem Freund per Tuk Tuk wirklich tolle Eindrücke von der Hauptstadt, wie den Königspalast, die Silberpagode, den Alten Markt, den Tempel Wat Phnom samt frei laufenden Affen und abschließend das Genozidmuseum mit tiefen grausamen Einblicken in die Greueltaten des Khmer-Regimes bis 1998. Eine ehemalige Schule wurde dabei zu einem Foltergefängnis umgebaut.

Von Nol verabschieden wir uns dann am kommenden Tag, als wir per Sammeltaxi zur Busstation abgeholt werden, um uns bei Rückkehr nach Phnom Penh wieder zu treffen, denn er wird für uns wieder ein Hotel für die letzte Nacht in Kambodscha besorgen. Gute Investition in die Zukunft eines wirklich tollen Burschen …..

Fahrt nach Sihanoukville

Den Kambodschas, die wir bisher kennen gelernt haben – „Kambodscha Kultur“ & „Kambodscha Armut“ – folgt nun Teil 3: Kambodscha Strand.

Nur eines kann auch das schönste Meer, der herrlichste Sand und der eindrucksvollste Sonnenuntergang nicht wegleugnen – schon wenige Meter von den touristischen Trampelpfaden entfernt beginnt wieder diese bedrohliche Mischung aus Elend plus Dreck.

Allerdings befindet sich Sihanoukville mit seinen tollen Stränden ganz stark im Umbruch. Überall wird gebaut, gepflastert, restauriert, geputzt, in Stand gesetzt … es geht ganz klar aufwärts am Golf von Siam.

Von Phnom Penh kommend rattern wir 240 km mit dem A/C-Stockbus in 4 Stunden Richtung Süden, denn die kambodschanischen Straßenverhältnisse sind noch katastrophal.

Da wir bei allen Hotels mit guten Angeboten kein Zimmer mehr bekommen haben (Hochsaison!), gehen wir auf „Nummer sicher“ und nehmen ein Angebot in der Travelagency an: Leng Meng Bungalow Hotel um 35,- USD per Room …. aber direkt am Strand, wie man uns versichert, und „new“ … was immer das heißt!?!

Ankunft am Meer

Ankunft in Sihanoukville um 13 Uhr bei enormen Temperaturen und der zugesagte Pickup ist nicht da. Nach wenigen schweißtreibenden Minuten lösen wir fast einen „TukTuk-Krieg“ aus, als wir das Angebots eines außerhalb stehenden Fahrers annehmen, zu dem wir uns dann schleppen.

Und die „Strandstraße“ – sofern man diesen Ausdruck für die Lehm-Schlagloch-Rinnsal-Piste überhaupt verwenden darf – lässt uns nix Gutes ahnen.

Wenigstens hat man uns erwartet und bringt uns zu unserem Bungalow, d.h. zu jenem ¼ davon, das uns gehört: 4 mal 3 Meter mit Doppelbett, Badezimmer und Klimaanlage. Sicher nicht mehr ganz neu, aber alles sauber und okay – also ab zur Bar und zum Strand direkt  davor.

Da wir beschlossen haben, hier 6 Nächte zu verbringen und endlich mal auszuspannen, werden wir uns mit den Gegebenheiten einfach abfinden und es wird mit jeder Stunde und jedem Drink besser.

Denn schön ist es ja hier am Derendipy-Beach, wie wir frohen Mutes in den kommenden Tagen feststellen werden …. ein kilometerlanger schneeweißer Sandstreifen mit je nach Wellengang zwischen 1 und 10 Meter, umspült von einem großteils sauberen und weit über 30° warmen Meer.

Dazu ein Gewusel an Strandhungrigen und Einheimischen, die alles an den Mann bringen wollen (Achtung! Gewöhnungsbedürftig!), was man halt so braucht oder auch nicht – Früchte, Seafood, Handwerk, Ramsch, Massage, Maniküre, Pediküre, Enthaarung ….. ?!?

Leben am Strand

Wir lernen am 2. Tag einen Schweizer namens Oliver kennen, der schon seit 18 Monaten um die Welt fährt (Südamerika, Südafrika), jetzt seit 6 Monaten in Südostasien weilt und uns in den ersten gewöhnungsbedürftigen  Tagen ein guter Ratgeber ist.

Oder die 2 jungen Kanadierinnen, die wir schon auf dem Boot am Tonle Sap getroffen haben …. Ergebnis: schon bald haben wir unsere eigene „Fuß- und Handpflegerin“ (Preis pro Einheit meist 2 USD), eine Lieferantin ausgezeichneter „Lobster“ (Gaumenschmaus!) und unser ganz entzückendes „Obstmädchen“ Srey Rith (Spezialistin für Ananas, Papaya, Mango und Bananen) und eigentlich danach weitgehend „Ruhe“.

Die Kinder hier sind übrigens Teil eines Projektes (von der EU mitfinanziert), um sie von der Straße wegzubekommen und ihnen eine ordentliche Schulausbildung zu ermöglichen.

So werden es herrliche entspannende Tage, der kühlende Wind vom Meer lässt uns die Hitze vergessen und die äußerst niedrigen Preise in den mehr als 100 Strandbars, die ihre Stühle und Sessel ganz einfach in den Sand setzen, tragen dazu dabei, auch etwas sorglos mit den konsumierten Mengen umgehen …..

Aber ein ausgezeichnetes offenes Bier (0,3) um 0,55 € oder gute Speiseportionen zwischen 2 und 3 € findet man an unseren Stränden ja wohl nirgends mehr.

Natürlich ist auch Prostitution hier ein Thema. Mit Erfahrungswerten können wir nicht aufwarten, aber wer mit offenen Augen in die Welt blickt, sieht genug ….!

Praktisches Service ist auch die hauseigene „Laundry“, wo wir unsere Kleidung um 1 USD pro Kilo wieder auf Vordermann bringen lassen, um für die restlichen Abenteuer unserer Tour wieder gewappnet zu sein.

Der Abschied von Oliver fällt ebenso schwer wie von den beinahe vertrauten Kindern und Frauen am Strand, ehe es wieder per Bus zurück nach Phnom Penh und unserer letzten Station – Vietnam – geht.