Stippvisite in Ostfriesland

Stippvisite in Ostfriesland

Bier wie Wetter … friesisch herb!

Natürlich ist die Bekanntheit Ostfrieslands seit dem „Blödler“ Otto Waalkes auch in unseren Breiten gewachsen und Ostfriesenwitze gehören zum Repertoire jedes Entertainers. Doch das flache Land zwischen Ems und Weser stellt auch ein landschaftliches Kleinod dar, das sich seit den Sturmfluten vergangener Jahrhunderte und dem notwendigen Bau eines Deichs als Schutzwall konsolidiert hat. Für uns wird der Aufenthalt eine Spurensuche nach all diesen Besonderheiten und ein erstes Schnuppern ins Wattenmeer … bei durchaus „nordisch-friesischem Wetter“. Oder wie sagts die bekannteste Brauerei: „Wie das Land – so das Jever: friesisch herb!“

Wettertechnisch muss vorausgeschickt werden, dass die Region vor nicht allzu langer Zeit auch unter ähnlicher Hitze und Trockenheit zu leiden hatte wie der übrige Kontinent. Man erkennt dies auch an den verdorrten und ausgebrannten Feldern. Dass ausgerechnet wir in eine Phase unbeständigen Wetters mit Temperaturen um 15 – 17°C geraten, macht es nicht unbedingt leichter, zumal eine kräftige Brise aus Nord die Empfindung verschärft.

Aber alles im Rahmen und wie gesagt: Friesisch herb!

Ankunft in Ostfriesland

Dabei gestaltet sich die eher verregnet prognostizierte 250-km-Anreise aus Münster als gemütlich und bei Anfahrt auf der A31 in Leer zeigen sich zarte Sonnenstrahlen, mit denen wir an diesem Tag gar nicht gerechnet hatten. Unser Plan für dieses erste „Rendevous“ mit Ostfriesland in Unkenntnis der Ausgangssituation ist, dass wir uns ein Camp in zentraler Lage an der mittleren Küste nahe Aurich suchen, von wo aus wir unsere Touren starten bzw. auch ein bisschen ausspannen und ins Watt gehen wollen.

So steuern wir bei Leer per Landstraße über Aurich und Wittmund die Region im Nordosten an, wo wir einige Campingplätze und Stellplätze für Wohnmobile in den Führern gefunden. Die Frage wird sein, ob sich Plätze nur hinter dem Deich befinden oder ob sie vorgelagert liegen und Ausblick aufs Meer bieten.

 

 

 

Campingsuche & Monstercamps

Schon der erste Versuch bei Harlesiel gibt uns einen Eindruck und Vorgeschmack. Durch eine enge Hafeneinfahrt, wo sich der Deich öffnet, gelangen wir an die Außenseite und an einen Strand, der sich kilometerweit vor uns ausbreitet. Leider tut das auch der Campingplatz und wir finden eines dieser „Monstercamps“ mit bis zu 1.500 Stellplätzen … und „germanischer“ Nummerierungsordnung. Da das Camp gerade „Mittagspause“ macht und die Schranken geschlossen sind – auch das sind wir nicht gewöhnt –, beschließen wir weiter zu suchen und gelangen nach Bensersiel, das uns von der Beschreibung mehr zugesagt hatte, da sie hier Plätze am Sandstrand anbieten.

Schon die Zufahrt zeigt sich „überschaubarer“ und idyllischer ob des kleinen Hafens und der angeschlossenen Fährstation zur Insel Langeoog. Auch hier ist kurze Mittagspause (13 bis 14 h) und diese Zeit nützen wir, um uns einen ersten Eindruck vom Camp zu machen. Und dieser fällt positiv aus … zum einen, weil die Vorderfront nicht so „ghettohaft“ anmutet, weil sie wirklich Plätze im Sand haben und weil wir uns in Anbetracht der bisherigen Fahrtdauer im Minimarkt laben … mit Brötchen und … richtig: mit einem Jever!

Als bei der Anmeldung die nette Dame uns auch noch einen Platz im „Sand“ mit der Adresse „Am Spielplatz 6“ ist die Welt in Ordnung. Der Platz ist für 4 Nächte zu haben und auch der Preis ist mit 31,- all inklusive ok. Also ab zum „Stranderlebnis“ mit Auto und Wohnwagen … eine Premiere, denn einen Stellplatz dieser Art hatten wir noch nirgends erlebt!

Der Ankunftstag gilt der Orientierung und wir erkunden das Riesencamp, das sich weitläufig am Strand ausbreitet und den Großteil der 560 Stellplätze für Dauercamper anbietet … natürlich ist dieser Teil nicht besonders unterhaltsam und wir ziehen uns in unseren Bereich an der Vorderfront zurück. Bei einem ersten Spaziergang am Strand bekommen wir einen ersten Eindruck vom „Wattenmeer“, denn zurzeit ist ca. um 17 Uhr „Niedrigwasser“ – also Ebbe. Aber auch die einfahrende Fähre und die Parade an Strandkörben bewundern wir und insbesondere 2 spezielle Exemplare, die man für idyllische Nächte mieten kann – inklusive Sekt, Aussicht etc. Bei den tiefhängenden Wolken ist das allerdings gerade wenig spannend. 

 

 

Auf zur Halbinselrundfahrt

Der kommende Tag verspricht Aufhellungen ab Mittag – gegen das Wetter ist hier sowieso „kein Kraut gewachsen – und gegen 11 Uhr machen wir uns auf, die Osthälfte der Halbinsel zu erkunden. Start ist in Leer und wir lassen uns per Auto tief ins Zentrum treiben. Prompt finden wir einen Parkplatz direkt an Altstadt und Hafen – allerdings nur für 1 Stunde, doch diese genügt, um uns neben einer Stärkung in einer orig. Kaffeerösterei einen Eindruck von dem idyllischen Städtchen samt Hafenpromenade und Holzbrücke an der Ems zu machen. Holländisches Frühbarock ist hier teilweise angesagt und Leer steht für Tee- und Weinimporte … mit tollen Eindrücken ziehen wir weiter.

 

 

Auf den Spuren von Otto Waalkes

Ziel 2 ist die „Metropole“ Emden, die Heimat von Otto Waalkes, aber auch zahlloser Industrien – allen voran VW. Das gibt der Stadt einen wenig einladenden Eindruck, obwohl sich das Zentrum am Innenhafen schmuck präsentiert. Der Hauptanziehungspunkt ist aber letztlich das „Otto-Hus“ in bester Lage, wo aus wir unsere Nase reinstecken, aber erst nachdem wir uns ausgiebig mit kräftiger Frischbrötchen-Mahlzeit samt Jever gestärkt haben.

 

 

Zwischen Emsmündung und Wattenmeer

So sind wir fit für die Fahrt an den Nordwestrand Deutschlands auf der Halbinsel Krummhörn. Der Außenposten Knock bietet einen Blick auf die Emsmündung und die beginnende Nordsee inklusive die holländische Industriesilhouette am anderen Ufer. Wir selbst befinden uns auf kulturhistorischem Siedlungsboden, dem hier schon Kaiser Friedrich II. mit Errichtung eines „Siel- und Schöpfwerkes“ seinen Stempel aufprägte.

Wir erfahren viel Interessantes einige Kilometer weiter bei Besichtigung und Besteigung einer Windmühle, wo uns der nette Wärter die Lage verständlich erläutert. Das Dorf Rysum gilt als Mustersiedlung eines „Warfendorfes“ – einer Ansiedlung, die auf einem künstlichen Hügel in ehemaliger Moorlandschaft errichtet wurde. Der Ort bietet aber in seiner Kirche mit der ältesten deutschen Orgel ein weiteres Highlight.

Wieder einige Fahrminuten entfernt kommen wir in den Bereich des Wattenmeeres und zweier sehr unterschiedlicher Leuchttürme: zuerst Campen, der mit einer Höhe von 60 m der höchste Leuchtturm Deutschlands ist, und Pilsum. Dieser ist zwar der kleinste seiner Zunft, doch seine Bekanntheit verdankt er dem Auftreten in einem der bekanntesten Otto-Filme.

 

 

Besuch bei der Krabbenflotte

Den Abschluss bildet ein Besuch von Greetsiel, wo eine der letzten deutschen „Krabbenflotten“ vor Anker liegt und sich ein schmuckes Städtchen um den Hafen präsentiert … allerdings mit allen Auswirkungen des modernen Tourismus. Da fahren wir lieber zurück in unser Camp am Strand und genießen den Abend, wobei man dazusagen muss, dass wir nun wissen, warum hier alle Camper ihre Fahrzeuge südwärts – also vom Strand abgewandt – abgestellt haben: der Wind hat aufgefrischt und lässt ein Sitzen vor dem Wohnwagen kaum zu. Ok.

 

 

Jever & Labskaus

In Ermangelung eines Internetnetzes an Vorderfront müssen wir am nächsten Morgen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Wettersituation verschlechtert hat und uns statt Ausblick aufs Watt Wind- und Regenböen erwarten. So ziehen sich Motivation und Tagesauftakt in die Länge, wir beschließen aber dann einen Ausflug ins benachbarte Jever zu machen, wo neben der bekannten Bierbrauerei auch einiges an Kultur wartet.

Schade, dass der Regen auch den Ausblick trübt, den ich vom Schlossturm im Stadtzentrum bekomme, wo die abenteuerliche Besteigung Teil der Museumstour ist. Nach Stadtrunde und Teeshopping gelangen wir zum Jevershop, wo wir Souvenirs erstehen, und da die Besichtigung nur in geführten Touren während der Woche möglich ist, verkosten wir das „friesisch-herbe Hopfenkaltgetränk“ nebenan in der Gaststätte der „Getreuen Bismarcks“. Dazu gibt’s Fisch und Labskaus, eine ostfriesische Spezialität in Form eines „breiartigen Schweinefleisch-Kartoffelgemisches“ … im Internet nachzulesen. 

 

 

Schifffahrt zur Insel Langeoog

Auf Wetterbesserung hoffend planen wir für den kommenden Tag einen „Sonntagsausflug“ per Schiff zur Insel Langeoog und informieren uns noch am Vorabend über Abfahrtszeiten und Preise für Personen und Fahrräder. So sind wir gut vorbereitet und beschließen, die Räder im Hafen zu lassen. Diese hätten gesondert aufgegeben und befördert werden müssen, mehr als die Personenpassage (22,50) gekostet und uns auf der Insel wenig gebracht. Überraschend können wir eine Fähre mit Zwischenabfahrt nehmen und sind zum geplanten Start schon auf Langeoog gelandet. 

 

 

Auf den Spuren von Lili Marleen

Die Fähren hier fahren ganztags und gezeitenunabhängig, da es eine Fahrrinne für die Schifffahrt gibt. Vom Hafen wird man dann per „Inselbahn“ mit dem Zug ins Städtchen befördert und der Rest ist Wandern. Wenigstens präsentiert sich das Wetter durchwegs trocken, es bleiben aber dichte und tiefhängende Wolken. Zuerst schlendern wir durch die Hauptstraße, finden die Statue von Lale Andersen, der Sängerin von „Lili Marlen“, die hierher vor den Nazis flüchtete und auch begraben ist. Gleich dahinter geht es in die Dünen mit dem malerischen Wasserturm, der einen guten Ausblick bietet. 

 

 

Strandkörbe & Wattenmeer

Nach obligatorischer Stärkung mit Suppe und Fischbrötchen plus Jever unternehmen wir eine ausgiebige Wanderung über den unglaublichen und ausladenden Strand an der Nordseite, bewundern die bunte Vielzahl Tausender Strandkörbe und die Geschäftigkeit am Meer ob des Wetters. Kinder lassen sich einfach von nichts abhalten …

Um 16,00 h geht es wieder zurück durchs Watt, wo uns die Tragweite der Gezeiten erstmals klar wird, denn wir fahren rund „2 Meter tiefer“ zurück und sind von endlosen Sandbänken des Watts umgeben, da nun Ebbe herrscht. Robben säumen den Weg durch die schlammige Fahrrinne und das einzige, dass den tollen Tag trübt ist der Umstand, dass wir keinen Ort finden, wo das Wimbledonfinale zwischen Federer und Djokovic übertragen wird. Wir erfahren am Handy natürlich den „betrüblichen“ Ausgang, was unsere Stimmung kurz absinken lässt … um aber schon bald die gewonnen Eindrücke erstmalig Revue passieren zu lassen. Natürlich auch in Form von Bildern und zahllosen Videos, die wir anfertigen, um wieder eine Präsentation zu erstellen.

Und am Abend im Wohnwagen wälzen wir schon Pläne für die Weiterreise Richtung Norden und entschließen uns, einen Platz an der Küste zwischen Bremerhaven und Cuxhaven anzusteuern. Wir hoffen dabei natürlich, ein weniger überlaufenes Camp zu finden, von dem aus wir die als „Waterkant“ bekannte Region erkunden und auch einen Einblick in den „Nationalpark Wattenmeer“ gewinnen können … wir werden ja sehen – von Menschenmassen haben wir jedenfalls erstmal genug.